News Herzschlagfinale
Datum 26.07.2016
Autor Kliniken Calw
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Beschreibung

Calwer Kardiologe PD Dr. Thomas Anger habilitiert sich an der Tübinger Universität mit Vortrag über das medizinische Spannungsverhältnis zwischen Herzinfarkten und Elfmeterschießen

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Vier lange Wochen liegen hinter den Fußballfans landauf landab und außer ein wenig Enttäuschung und dem ein oder anderen Kilo mehr auf der Waage nach langen Grillabenden dürften bei den meisten keine größeren Spätfolgen zu erwarten sein. Dabei sind Herzschlagkrimis wie das Elfmeterdrama im Viertelfinale gegen Italien nicht für alle Fans ohne Risiko. „Bei entsprechend schlechter körperlicher Verfassung und generell stressbedingter Vorbelastung privat sowie im Beruf kommt die emotionale Stressbelastung im Verlaufe eine Fußballspiels beim mit fiebernden Fan noch on Top, was leider manchmal für das Herz-Kreislaufsystem zu viel des Guten sein kann und nicht selten gefährliche Herzrhythmusstörungen oder gar einen Herzinfarkt verursachen kann“, erklärt Dr. Thomas Anger, seines Zeichens leitender Oberarzt an der Klinik für Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie in Calw.

Und der Kardiologe muss es wissen, ist er doch vermutlich der erste Arzt in der über 100-jährigen Geschichte des Calwer Krankenhauses, dem es jetzt gelang, sich von extern an der Eberhardt-Karls-Universität in Tübingen zu habilitieren. Basis dafür war u. a. ein mündlicher Vortrag zu messbaren  Risikofaktoren der koronaren Herzerkrankung im Bezug auf psychischen Stress. Ausgewählt hatte er dafür fast 5.000 kardiologische Fälle im Großraum München während der Fußballweltmeisterschaft 2006 mit dem frappierenden Ergebnis, dass just zu den spannendsten Spielen der Heim-WM die Rate von malignen (gravierenden, lebensbedrohlichen) Rhythmusstörungen und Myokardinfarkten, umgangssprachlich schlicht Herzinfarkten, dramatisch Anstieg. Geringe Herzfrequenzvariabilität, erhöhte Ruhefrequenzen, steigender Blutdruck, das alles verträgt sich nicht immer mit 120 Minuten Fanstress. Unrühmliche Spitzenwerte, mit zum Teil fünfmal so hohen Infarktraten wie ansonsten durchschnittlich üblich, wurden so vor allem während dem Halbfinalaus von Deutschland gegen Italien in der Verlängerung als auch im Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien verzeichnet. Für seinen wertvollen Beitrag zu Forschung und Lehre darf sich der 46-jährige Herzspezialist, dessen offizielle Habilitationsschrift  die „Molekularbiologische und klinische Charakterisierung der hochgradigen Aortenklappenstenose“ abhandelte, jetzt seit wenigen Tagen „Privatdozent“ nennen.

Seine wissenschaftliche Karriere begann PD Dr. Anger 1998 in der Abteilung für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Nephrologie der Universität Ulm, anschließend ging er im Jahr 2000 für zwei Jahre an die Harvard Medical School in Boston, USA. Nach seiner Rückkehr im Jahr 2002 setzte er seine wissenschaftlichen Arbeiten in der Abteilung Kardiologie und Angiologie der Friedrich-Alexander Universität Erlangen fort. Als Oberarzt in Bayreuth in der Abteilung Kardiologie, Angiologie, Pneumologie und Intensivmedizin arbeitete er dann ab 2007 schwerpunktmäßig auf dem Gebiet der kardialen Computertomographie. Seit seinem Wechsel nach Calw im Jahr 2011 gibt es eine enge Kooperation mit der Kardiologie des Tübinger Universitätsklinikums unter der Leitung von Prof. Dr. Meinrad Gawaz und der Abteilung für Thorax-, Herz-und Gefäßchirurgie unter Prof. Dr. Christian Schlensak. Dass Dr. Anger nun in wenigen Wochen seine Antrittsvorlesung in Calw geben darf, lässt auch seinen jetzigen Chef und Mentor, Chefarzt Prof. Dr. Martin Oberhoff, nicht ohne Stolz: „Das ganze Team freut sich mit unserem Habilitanten und gratuliert herzlich zu diesem außergewöhnlichen Erfolg. Wir haben großen Respekt vor dem Durchhaltewillen und der Leistung von Herrn Dr. Anger, die er parallel zu seinen nicht unerheblichen, klinischen Verpflichtungen vollbracht hat.“

Alltag, das ist vor allem die Behandlung von kardiologischen Patienten im Herzkatheterlabor der Kliniken Calw, in dem Dr. Anger natürlich auch während der gerade zu Ende gegangenen EM seinen Dienst schob. Glücklicherweise mit wenigen Notfallspitzen: „Wir mussten einen akuten Herzinfarkt während dem deutsch-italienischen Viertelfinale behandeln, wobei die Dame weder Fan war noch Fußball mit verfolgt hatte“. Kein Fußballfieber zu haben scheint somit auch nicht die Lösung aller Herz-Kreislauf-Probleme zu sein, oder anders gefragt, führt somit also nicht jedes Herzschlagfinale zum finalen Herzschlag? „Nein, für alle gesunden Fußballfans besteht nachwievor kein wirklicher Anlass zur Sorge und die stress- bzw. physiologisch vorbelasteten haben ja jetzt erst einmal zwei Jahre Zeit, um sich mit Entspannungstherapien, Sport, Musik, Yoga oder Spaziergängen im Wald fit zu machen für die WM 2018 in Russland“, weiß der fußballbegeisterte Privatdozent alle Fanmeilen- und Stadionbesucher fachkundig zu beruhigen.

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