Kommunale Gesundheits- und Pflegekonferenz Calw tagt digital

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Pflege in den Vordergrund gerückt

Älter werden ist grundsätzlich etwas Schönes, hat man doch nach seinem Berufsleben noch mehr Lebenszeit zur Verfügung. Leider hat die Medaille auch eine Kehrseite. Mit der wachsenden Zahl an älteren Menschen steigt auch die Zahl der Pflegebedürftigen. Waren in Deutschland 1996 noch ca. 1,5 Millionen Menschen (ambulant 1,1 Mio. und stationär 380.000) pflegerisch zu versorgen, sind es Ende 2020 bereits 4,3 Millionen (3,4 Mio. ambulant und 700.000 stationär), Tendenz weiter rasant steigend. Vor diesem Hintergrund diskutierte die regionale Gesundheits- und Pflegekonferenz im Landkreis Calw per Videokonferenz die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft für die Pflege.

In seiner Begrüßung der 75 Teilnehmerinnen und Teilnehmer ging Landrat Helmut Riegger auf die Wichtigkeit der Gesundheitswirtschaft für den Kreis ein: „Eine zum Glück immer älter werdende Gesellschaft braucht auch eine entsprechende Erweiterung der Pflege. Etwa ein Fünftel der Kreisbevölkerung ist über 65 Jahre alt. Mehr als 6 Prozent sind heute über 80 “ sagt Riegger. „Dafür haben wir vor 10 Jahren als einer der ersten Landkreise die Gesundheitskonferenz gestartet, die alle gesundheitsrelevanten Dinge im Kreis bündelt und an einem Tisch mit allen Beteiligten regelt“, so Riegger weiter. Dass dieses Konzept erfolgreich ist, zeigte auch die Bandbreite der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz: Neben dem Bundestagsabgeordneten Klaus Mack, nahmen Kreisräte, Bürgermeister, Verwaltungen, Kostenträger, ambulante und stationäre Pflege, Kreisseniorenrat und weitere Interessierte teil.

Den Auftakt machte Prof. Dr. Frank Weidner, Gründungsdirektor und Vorstandsvorsitzender des Deutschen Instituts für angewandte Pflegeforschung in Köln und Gründungsdekan der ersten universitären Fakultät für Pflegewissenschaften im deutschsprachigen Raum. Er ging der Frage nach, welchen Herausforderungen sich die Pflege heute und in der Zukunft stellen muss. Dabei stellte er als Hauptaussage heraus, dass „die pflegerische Versorgung der Bevölkerung als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden muss. Institutionen, Kommunen, Politik, Kostenträger, Leistungsträger und -anbieter sowie die Zivilgesellschaft müssen hierfür eng zusammenarbeiten“. Als mögliche Lösungsansätze stellte er die Steigerung der Attraktivität des Berufs, die Verbesserung des Images der Pflege, die Akademisierung und die Vermeidung von frühzeitigem Aussteigen aus dem Pflegeberuf dar. Was ihn und auch weitere Akteure sehr beschäftigt, umschreibt er als doppelten demografischen Wandel. Denn nicht nur die Gesellschaft wird älter, sondern auch Pflegekräfte, die aus der Generation der Babyboomer kommen und in fünf bis sieben Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Für diese Menge an Pflegekräfte stehe aktuell kein ausreichender Nachwuchs bereit.

Die stellvertretende Leitung der Akademie für Gesundheitsberufe, Michaela Brandl, ging in ihrem Statement auf die neue generalistische Ausbildung aus Sicht der Pflegeschulen ein. Neben einen hohen Grad der Vernetzung sei die Akademisierung in der Pflege sowie die Digitalisierung sehr wichtig. Nicht nur die Versorgungsstrukturen würden immer komplexer, sondern die Multimorbidität der betroffenen Personen und die damit verbundenen komplexeren Pflegeproblematiken müssen die Fachkräfte bewältigen.

Für die ambulante Pflege zeigte Christina Zanter von der Diakoniestation Wildberg die Herausforderungen auf: „Die Aufgaben nehmen auch hier zu. Immer häufiger und kurzfristiger müssen Kurzzeitpflegen organisiert werden. Den Pflegekräften machen auch die immer früheren Krankenhausentlassungen und weitere Versorgung im häuslichen Umfeld zu schaffen. Daneben gilt es auch hier, neue Formen für die Beschäftigen zu finden um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen.“

Den sogenannten doppelten demografischer Wandel nahm Andreas Fiedler, Pflegedirektor für das Krankenhaus Nagold, auch in sein Statement auf und berichtete, dass 25 Prozent seiner Pflegekräfte über 55 Jahre alt und 10 Prozent bereits über 65 Jahren seien. Neben diesem Problem schilderte er, dass Pflegekräfte extremen Belastungen ausgesetzt sind, die immer öfter zu einem frühzeitigen Ausstieg oder einer Absenkung der Arbeitszeit führten und somit die Situation noch verschärften.

Die Leiterin des Arbeitskreises Pflege in der kommunalen Pflegkonferenz, Monika Volaric, hob hervor, dass die Pflege ein sinnstiftender Beruf sei und nicht wie einst Norbert Blüm sagte, Pflege könne jeder.  „Wenn das so wäre, wären wir nicht in der heutigen Situation“, so Volaric.

Abschließend brachte der Erste Landesbeamte des Landkreises Calw, Dr. Frank Wiehe, die unterschiedlichen Ansätze und Umsetzungsmöglichkeiten zusammen: „Die Gesundheits- und Pflegekonferenz wird in Zukunft auch das Themenfeld Pflege in den Mittelpunkt stellen. Alle Akteure sind an einem Tisch und ringen um die besten Lösungen zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger. Dabei übernimmt der Landkreis gerne die Rolle der Steuerung der medizinischen Versorgung, aber ohne Hilfe aus der Politik und ohne geeignete Rahmenbedingungen sind den Kommunen natürliche Grenzen gesetzt.“

Eine Diskussion kam unter anderem über die Akademisierung der Pflegeberufe auf. Hier konnten Professor Frank Weidner und Monika Volaric deutlich machen, dass in den letzten 20 Jahren eine Fehlprofessionalisierung betrieben wurde. Hier müsse dringend nachgesteuert werden. „Wir brauchen sowohl die Akademisierung als auch einfachere Tätigkeiten. Beides zusammen gibt den Pflegemix“ so Weidner.



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